
Frau sein – aber wie?
Frau sein – und wie geht das genau?
Werfen wir einmal einen Blick auf „Frau sein“ über die letzten Jahrhunderte (und auch Jahrtausende), so erkennen wir, dass Frauen vor allem der Gewalt und Willkür der Männer unterworfen waren.
Das ging so weit, dass wir Frauen tatsächlich geglaubt haben, was Männer uns über uns erzählten. Dass wir es als normal ansahen, wie sie uns behandelten. Wir haben sogar ihre Art der Sexualität zu unserer gemacht. Wir sind uns selbst verloren gegangen und haben zugelassen, dass wir zu Konkurrentinnen wurden. Da ist es kein Wunder, dass die Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Wir alle sind in diese Strukturen hineingeboren und dachten über lange Zeit, dass unsere innere Zerrissenheit normal sei. Dass dem nicht so ist, wirkt ansich schon befreiend. Aber es ist nur der erste Schritt in eine neue Richtung. Nur sehr langsam finden wir den Weg zurück zu dem, was wir eigentlich sind.
Den Weg zurück in unsere „Normalität“ als Frau zu finden, ist die große Herausforderung und unsere wichtigste Aufgabe in diesen Zeiten. Die wichtigste Aufgabe der Männer dieser Generation ist es, uns Frauen in unserer Befreiung und unserer Selbstfindung nach besten Kräften zu unterstützen, anstatt uns weiterhin genau daran zu hindern. Nur miteinander als erwachsene, erwachte und vor allem bewusste Frauen und Männer können wir das schaffen. Ich behaupte, dass der Fortbestand unserer Erde und damit auch der Fortbestand von uns Menschen davon abhängt, wie gut uns das gelingt.
Aber wie kann das gehen? Es nützt niemandem, wenn wir Frauen uns verhalten wie Männer, nur um endlich ganz oben mitzuspielen. Wir brauchen neue, kreative Wege und den nötigen Raum, um herauszufinden, in welche Richtung die Entwicklung fortan geht. Wir brauchen Zeit, mehr Entscheidungsfreiheit und umfangreichere Wahlmöglichkeiten zur Lebensgestaltung. Und endlich wirtschaftliche Sicherheit, die nicht ausschließlich an Leistung gekoppelt ist.
Frau sein – die Befreiung
Die Befreiung aus den unterdrückerischen Strukturen hat im Grunde soeben erst begonnen. Erst im vergangenen Jahrhundert wurden bei uns sukkzessive Frauenrechte etabliert. Bis in die späten 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durften in Deutschland Frauen immer noch nicht ohne die Einwilligung ihres Ehemannes einer Arbeit nachgehen. Das ist noch nicht so lange her. Viele von uns haben diese Zeiten selbst erlebt. Warum hielten sich die inhibitorischen Strukturen in unserer – doch längst so modernen (?) Kultur – so lange aufrecht?
Entscheidend mitverantwortlich dafür sind meines Erachtens die Religionen.
Die Tücken des Christentums
Begrenzen wir uns jetzt hier mal auf das Christentum. Nach allem, was man weiß und was ich auch konkret recherchiert habe, waren es ausschließlich Männer, die im vierten Jahrhundert den neutestamentlichen Kanon festlegten. In die Entscheidungen, welche Schriften das Neue Testament enthalten sollten, wurden Frauen nicht mit einbezogen.
Ein gewisser Athanasius von Alexandria, der um 370 n. Chr. lebte, sortierte nach eigenem Gutdünken sämtliche frühchristlichen Schriften aus, die er für bedenklich hielt und wies sogar an, diese sicherheitshalber zu vernichten. Wie wir jedoch wissen, wurde ein Teil dieser Schriften von ägyptischen Mönchen beiseite geschaffen und in großen Tonkrügen konserviert. Und weil die Ägypter Meister im Konservieren sind, wurden etwa 1600 Jahre später (1948) diese Tonkrüge in der Nähe von Nag Hammadi in Ägypten von dort ansässigen Bauern in einem sehr guten Zustand gefunden. Die bekannteste Schrift dieser Funde ist das Thomasevangelium.
Das Evangelium der Maria Magdalena wurde schon früher entdeckt. Es gehört heute zu den Apokryphen, ist jedoch nur in Fragmenten erhalten. 1955 wurde eine erste Übersetzung veröffentlicht.
Die Bibel – das Handbuch der christlichen Religion
Das alles zeigt, dass die Bibel, das zugrundeliegende Handbuch unserer christlichen Religion, eine unvollständige – von Männern festgelegte Sammelschrift ist, die allerdings über Jahrtausende unser gesellschaftliches Zusammenleben und unsere Rollenverteilung definierte. Und das tut sie bis heute. Auch in den eigenen Reihen. Bis in die heutige Zeit sind die Wege für Frauen in hohe kirchliche Ämter nicht durchlässig.
Es liegt nahe, dass bereits bei den Schriften des Alten Testamentes ungenau geschrieben und mit einer gewissen Willkür übersetzt wurde. In meinem Blogartikel „Lilith – Die erste Frau Adams?“ beschreibe ich genauer, warum wir durch die Schriften zur Unterdrückung unserer wilden und selbstbestimmten Anteile angehalten wurden.
Wir alle wissen, was Kirchenverantwortliche über Jahrtausende mit Frauen veranstalteten, die sich nicht anpassen wollten, zu viel wussten oder zu viel wagten. Der Abgründigkeit waren keine Grenzen gesetzt. Für die, die dazu Genaueres wissen möchten, verlinke ich die Geschichte von Hypatia, einer frühchristlichen Mathematikerin, die um 360 n.Chr. in Alexandria lebte. Also zur gleichen Zeit wie Athanasius.
Der „schlechte“ Einfluss wurde ausgemerzt
Über Jahrtausende war es für Frauen lebensgefährlich, klug, anders, sinnlich oder spirituell begabt zu sein. Systematisch wurden ebendiese Frauen von der Bildfläche geholt und regelrecht ausgemerzt. Sie hätten ja „schlechten“ Einfluss auf andere Frauen nehmen können. Wir können nur vermuten, dass die verantwortlichen Kirchenfürsten sich in ihrer Existenz und in ihren Machtpositionen durch die kraftvollen Schwingungen intelligenter, lebensfroher und selbstbewusster Frauen bedroht gefühlt haben. Bis in unsere Zeit kann man dieses Phänomen beobachten.
Woran also können wir uns dann heute in unserem Frausein orientieren?
Wer viele Generationen lang mit Gewalt zum Schweigen und zur Unsichtbarkeit verurteilt wurde, für den ist es schwer, plötzlich zu artikulieren, was ihn, oder in diesem Fall sie, bewegt. Woher sollen wir wissen, welche inneren Regungen wir fürwahr nehmen können? Das Misstrauen in unsere intuitiven Kräfte ist immer noch groß. Die Vorbilder, an denen wir uns hätten orientieren können, wurden systematisch beseitigt oder mindestens mundtot gemacht. Bis heute riskieren in manchen Ländern der Erde Frauen ihr Leben, sobald sie eigene Wünsche oder Gedanken äußern. Es reicht schon, wenn sie ohne Erlaubnis ihrer Männer das Haus verlassen. Außerdem wird ihnen gewaltsam Bildung verweigert.
Und trotzdem sind auch diese Frauen einer zunehmenden Dynamik der Befreiung ausgesetzt, der sie nicht wirklich widerstehen können. Die ganze Welt befindet sich in diesem Energiestrom. Glücklicherweise gibt es inzwischen Hilfsprogramme, die speziell Frauen aus Krisenländern unterstützen. Eine riesige Welle des Erwachens der Frauen ist nicht mehr aufzuhalten.
Das Erwachen weiblicher Energien
In meiner Arbeit und auch privat beobachte ich bereits seit Jahren ein Erwachen weiblicher Energien bei den Frauen, mit denen ich zu tun habe. Auch meine eigenen weiblichen Anteile spüre ich anders als noch vor wenigen Jahren. Da rührt sich etwas. Anteile, die nie in ihre Kraft finden durften, werden spürbar und wollen aus ihrem Gefängnis heraus. Das alte Frauenbild ist zutiefst erschüttert, ein Neues gibt es noch nicht. Es bildet sich gerade aus der Asche unserer verbrannten Vor-Mütter.
Angesichts dieser Entwicklung frage ich mich manchmal, wie unsere Töchter und Enkeltöchter ihre Weiblichkeit im Zuge der großen Bewusstwerdung erleben. Wie erleben sie uns als ihre Mütter und Großmütter? Können wir ihnen Vorbild sein? In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, noch einmal einen Blick auf unsere Mütter und Großmütter zu werfen. Gab es in diesen Generationen sichtbare Wut oder Trotzkraft?
Frau sein – Wo ist der Schlüssel zur Lösungsfindung?
Der wichtigste Schlüssel zur Lösungsfindung, den jede von uns in der Hand hält, ist die tiefe Selbstverbindung. Hier finden wir Antworten. Wir tragen alles in uns, was wir brauchen, um unser eingesperrtes Frausein zu beleben. Etwas in uns ist über alle Zeitepochen heil geblieben. Diese heilen Anteile gilt es aufzuspüren und zu fühlen. Seit Jahrtausenden überdauern sie schlummernd von Generation zu Generation. Jetzt ist der Zeitpunkt, sie aus dem Dornröschenschlaf wachzuküssen (vielleicht besser gesagt: wachzulieben) und ihnen unseren Atem einzuhauchen. Dazu brauchen wir keine Prinzen. Aber Männer, die unsere Situation und unsere tiefen spirituellen Kräfte erkennen, sind willkommen, uns zu unterstützen.
Als zweiten wichtigen Punkt sehe ich die Verbindung der Frauen untereinander. Wenn wir uns nicht länger gegeneinander ausspielen lassen, sondern uns gegenseitig ermächtigen und in unserer Entwicklung unterstützen, werden wir in eine Kraft kommen, die unserer würdig ist. Dann wird es niemandem mehr gelingen, auch nur eine einzige Frau ihrer Rechte zu entheben. Das ist die Richtung, in die es geht.
Und bis es so weit ist, wünsche ich uns allen wachsende Kraft, Ausdauer, pulsierende Weiblichkeit, mitfühlende Gefährtinnen und ein bisschen mehr Rückenwind.
In diesem Sinne
Alles Liebe …
Deine Daniela
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