Mrs. Perfekt
Es ist wie es ist. Eigentlich hat sie alles im Griff!
Marie weiß, was sie will. Sie ist schließlich die leibhaftige Mrs. Perfekt. Das Leben könnte so einfach sein. Wenn Christian ihr nur nicht immer einen Strich durch die Rechnung machen würde…
Geburtstag.
Marie und Christian bereiten die Feier vor. Als Marie die Servietten aus dem Schrank nehmen möchte, liegen dort nur die roten. Die sind aber für Weihnachten.
„Christian“, ruft sie, „wo hast du die neuen Servietten hingetan?
„Welche Servietten?“, kommt es aus dem Bad.
„Na die, die du gestern gekauft hast.“
„Hab ich gestern Servietten gekauft?“, fragt die Stimme aus dem Off. „Servietten standen nicht auf dem Einkaufszettel.“
Marie spürt, wie ihr Blutdruck steigt. Die roten gehen nie und nimmer. Die nehmen wir immer an Weihnachten. Sollen die Gäste denken, dass wir nur einen Satz Servietten haben? Sie passen auch nicht richtig zur Tischdeko. Außerdem habe ich extra meine lilafarbene Bluse angezogen. Das sähe ja furchtbar aus. Warum muss Christian alles vermasseln? Ich hatte es ihm doch kurz vorher noch gesagt.
„Wir hatten darüber gesprochen, bevor du losgefahren bist“, dringt jetzt Maries schrille Stimme durch die ganze Wohnung…
Kennst du sowas?
Marie möchte, dass alles zueinander passt. Sie hat eine bestimmte Vorstellung davon, wie es auszusehen hat. Dass das jetzt nicht geht, verdirbt ihr die ganze Party. Es gibt Streit.
Am Ende geht Marie selbst los, um die gewünschten Servietten zu kaufen. Wütend und gestresst macht sie sich auf den Weg, um den Einkauf schnell zu erledigen. Nicht ohne Christians Versäumnis den Tag hindurch noch mehrmals zu erwähnen. Die Laune ist dahin, der Abend gelaufen, die Stimmung der beiden entsprechend.
So ein Stress!
Du kennst das. Oder?
Du kennst den Gedanken „Wenn ich nicht alles selber mache!“ Deinen Hang zum Perfektionismus, der gerne unerwartet im besten Moment kommt, um dir die Stimmung zu vermiesen. Und sich kräftig aufzublähen. Ich kenne ihn jedenfalls ziemlich gut!
Die Serviettengeschichte ist jetzt hier der Platzhalter für die unzähligen Situationen, in denen du eigentlich alles genau durchgeplant hattest, es jedoch an der Umsetzung des Partners scheitert. In einem anderen Fall hat er möglicherweise den Rosenstrauch völlig verschnitten, obwohl du ihm haarklein erklärt hast, wo er die Gartenschere anzusetzen hat. Eine relative Banalität kann sich, wenn wir uns der dahinter liegenden Konditionierungen nicht bewusst werden, zur Initialzündung einer schweren Beziehungskrise auswachsen. Inklusive Trennungsgedanken! Kommt dir so etwas bekannt vor? Warum ist das so?
Einfache Antwort:
Mein Partner lässt sich nicht wie ein Puzzelteil in meinen Lebensentwurf einfügen. Er möchte nicht ein Statist in meiner Lebensgestaltung, sondern der Drehbuchautor seiner eigenen sein.
Ich weiß das! Und du weißt das auch.
Und doch fallen wir uns selbst (besser gesagt unserem Ego!) ein ums andere Mal zum Opfer.
Jetzt kommt die große Preisfrage: Was kannst du dagegen tun?
Ich sage es lieber gleich: „Tun“ ist hier nicht ganz das richtige Wort. „Machen“ auch nicht. Es ist eher ein „Geschehen lassen“. Der Untertitel meines Buches „Der Kern des Yoga bin ich Selbst“ lautet: „Wenn das Machen aufhört“. Und das hat seine Gründe. Es gibt einige zentrale Dinge im Leben, die wir nicht im üblichen Sinne „machen“ können. Jedoch können wir Einfluss auf unsere täglichen Entscheidungen, auf unsere Umgebungsbedingungen und unsere Lebensumstände nehmen. Aber eins nach dem Anderen.
Wie kommst du aus der Nummer wieder raus, wenn du eigentlich nichts dagegen tun kannst?
Dass wir immer nur bei uns selbst, nie jedoch beim Partner nachhaltige Veränderungen herbeiführen können, ist eine Binsenweisheit und jedermann und jederfrau bekannt. Dafür braucht es keinen Blogartikel.
Vielleicht denkst du auch: Was hat das alles mit den Wechseljahren zu tun? Perfektionismus ist doch auch bei jüngeren Frauen ein Thema. Stimmt! Allerdings sorgen unsere Hormone im fortgeschritteneren Alter dafür, dass wir keine unbegrenzten Kräfte mehr für die zahlreichen Kriegsschauplätze in unserem Inneren haben. Wir müssen uns entscheiden. Wieviel Raum wollen wir destruktiven Verhaltensmustern weiterhin zugestehen. Und wo liegt es in unserer Verantwortung, den inneren (und damit automatisch auch den äußeren) Frieden zu unterstützen.
Die Frage, die du dir als erstes stellen solltest ist, ob du langfristig, unabhängig von deinem Partner, die ganze Verantwortung für dich, dein Handeln und deine Stimmungen übernehmen möchtest?
Wenn du dazu „Ja!“ sagst, dann lies hier weiter:
Wie bei allem, ist es zunächst hilfreich, einmal genau hinzuspüren, was in einer solchen Situation eigentlich in dir passiert. Versuche, beim nächsten beginnenden Streit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Konfliktes einmal kurz aus der bestehenden Situation auszusteigen. Nimm dir einen Moment Zeit, für folgende Handlungen:
- Geh, falls möglich, an einen Ort, wo du alleine bist.
- Schließe die Augen und nimm ein paar bewusste Atemzüge … ein… aus… ein… aus… beobachte dabei vielleicht die Atembewegung im Körper. Manchmal reicht das schon aus, um ein wenig zur Ruhe zu kommen.
- Welches Gefühl steht gerade im Vordergrund? Wut? Hilflosigkeit? Stolz? Oder was ist es sonst? Wenn du es nicht benennen kannst, macht das auch nichts. Es ist da und hat somit seine Berechtigung, jetzt gerade da zu sein.
- Spüre hin! Spüre in den Körper. Wenn du die (vermeintlich negative) Energie irgendwo im Körper spürst, nimm sie einfach wahr, ohne den Gedanken, sie verändern zu müssen. Sei präsent. Sei, so gut du kannst, im gegenwärtigen Moment.
- Dein Körper ist dein persönlicher Resonanzraum! Noch dazu hast du ihn als eine Art Referenz jederzeit bei dir.
- Wenn die Aufregung (Wut, Stress, o.ä.) allzu stark ist, dann setze oder lege dich kurz hin. Spüre die Aktivität in deinem Körper. Spürst du die Welle? Vielleicht hast du das Gefühl, von ihr überrollt zu werden. Lass es geschehen. Und spüre, wie die überschießende Energie im Kontakt mit der Unterlage (wenn du liegst) oder mit dem Sessel (im Sitzen) langsam abebbt.
- Im Stehen: Spüre in die Füße, die Fußsohlen. Spüre den Boden unter dir. Damit erdest du dich.
Dies ist etwas, was Übung braucht. Sei nicht zu ungeduldig, wenn es nicht sofort perfekt funktioniert. Du wirst schon bald erkennen, dass eine große Freiheit darin liegt, wenn das, was dein Partner tut oder eben nicht tut, zunehmend weniger über deine Befindlichkeiten bestimmt.
In unserem Fall (Marie und Christian) könnte das bedeuten, dass Marie sich weiter aufrichtig auf den Abend freuen kann. Sie ist in der Lage, innerlich ruhig zu entscheiden, ob sie sich noch einmal aufmachen möchte, um andere Servietten zu kaufen oder Christian fragt, ob er es für sie tun würde.
Lasse die allmählich entstehenden Veränderungen in dir zu.
Mehr braucht es nicht.
Es ist ein Bewusstwerdungsprozess. Ein „Bewusst- Werden- Prozess“.
Wir alle sind im „Werden“.
Und wir bleiben „Werdende“.
Ein Leben lang.
Dies ist mein erster Beitrag in der Kategorie „Wie sag ich´s meinem Mann“. Ich möchte einmalig darauf hinweisen, dass ich hier aus einer klassischen (Ehe-) Partnerschaft zwischen Frau und Mann berichte. Mir ist klar, dass manches vielleicht nicht eins zu eins auf andere Beziehungsformen übertragbar ist. Da ich jedoch vieles aus persönlichen Erfahrungen berichte, bleibe ich in dieser Kategorie in der klassischen Form.
Ich freue mich auf einen Kommentar von dir. Wenn du über neue Blogeinträge informiert werden möchtest, dann abonniere gerne die Herbstzeitrosen-Post. So verpasst du keinen Artikel.
Herzlichst, deine Daniela
Achja, teilen des Artikels ist auch erlaubt…