Alles nur geliehen
Alles nur geliehen
Es ist Frühling.
Vergangene Woche haben wir drei Heidelbeersträucher in unseren Garten gepflanzt. Unser Gartenboden gibt leider nicht viel her. Der Beschreibung der Heidelbeersorte zufolge müsste es trotzdem mit einer guten Ernte klappen. Zumindest im nächsten Jahr. Ich liebe Heidelbeeren.
Dort, wo heute unser Garten ist, war früher eine Baumschule für Koniferen. Sie gehörte einer örtlichen Gärtnerei, die es schon lange nicht mehr gibt. In Folge daraus ist der Boden eher sauer und für viele Obsthölzer und Gemüsesorten nicht besonders gut geeignet.
Jedes Jahr im Frühling, wenn die Natur aus allen Nähten platzt, drängt es mich, im Garten zu sein. Ich möchte aussähen, pflanzen und gestalten, so dass ich mich einen ganzen Sommer (+Herbst+Winter+..) lang daran erfreuen kann.
Hier darf ich Zeugin unzähliger „Durchbrüche“ sein, die ich mir für meine eigene Entwicklung so oft wünsche.
Die Kraft aufspringender Blatt- und Blütenknospen an Blumen und Obstbäumen erinnert mich an meine eigene Unerschrockenheit in Jugendjahren. Wo ist sie geblieben? So viel zaudern, so viele Bedenken gibt es. Schlummert die ungebändigte Power vielleicht doch noch irgendwo in mir? Wenn ich mit dieser Urkraft noch einmal in Berührung kommen möchte, dann wird es wohl hier geschehen. Hier, inmitten dieses kleinen Fleckchens Natur, wo im Frühling die Post abgeht.
Er ist nicht besonders groß aber wir lieben ihn. Unseren Garten!
Aber halt!
Ist unser Garten wirklich UNSER Garten?
Und darf ich hier eigentlich machen, was ich will?
Wenn ich hinaus in den Garten gehe und mich einmal genauer umschaue, erblicke ich dort ziemlich viele unterschiedliche Lebensformen. Beim Pflanzen der Heidelbeersträucher sind uns neben einigen Regenwürmern auch eine verpuppte Larve, Asseln und Ameisen begegnet. Löwenzahn und Spitzwegerich, die in der Nähe des neuen Beerenbeetes standen, haben unsere Landschildkröten mit sehr viel Appetit verspeist.
Wem gehört der Garten denn nun?
Also… wir haben das Grundstück natürlich mitsamt dem Haus gekauft. Das bedeutet doch, dass der Garten uns gehört. Oder?
Früher habe ich das durchaus so gesehen. Heute nicht mehr wirklich.
Heute gehe ich barfuß über den Rasen, der eine Mischung aus Gänseblümchen, Klee, Löwenzahn, Moos und einiger anderer (von mir nicht bestimmbarer) Pflanzen ist. Ich beobachte die Libelle, die zu ihren eigenen Rhythmen durch den Garten tanzt. Zwischendurch setzt sie sich auf einen der Stecken, an denen Tomaten hochklettern. Ihr schmaler Körper schillert bunt im Sonnenlicht. Spüre ich vielleicht eine gewisse Verwandtschaft zu ihr? Jedenfalls ist es mir ein inneres Bedürfnis geworden, ihr den Raum zu lassen, den sie braucht. Ich möchte meinen Garten mit der Libelle teilen. Ich möchte sie um mich haben. Sie ist hier willkommen. Sie und der Schmetterling, der sich als Futterplatz den Sommerflieder ausgesucht hat. Nicht zu vergessen die vielen Bienen und Hummeln, die die Blüten von Rosmarin und Dost bevorzugen.
Er ist uns geliehen, unser Garten. So wie uns auch alles andere geliehen ist.
Wir dürfen den Garten eine Zeitlang nutzen. Wir dürfen uns darin aufhalten und ich wünsche mir, dass es ein friedlicher Ort ist. Das kann es allerdings nur sein, wenn wir uns mit den anderen Bewohnern arrangieren. Einen tiefen Frieden werden wir nicht finden, wenn wir die anderen Gartenbewohner aus ihrem Lebensraum aussperren. Frieden ist nichts äußerliches, nichts, was wir irgendwo anders finden könnten.
Frieden ist eine Ressource in uns, ein Anteil, der immer auch da ist. Tiefer Frieden ist eine (mit-) fühlende Haltung zum Leben. Nicht nur zum eigenen.
Nehmen wir uns den Eingangssatz dieses Blogartikels noch einmal vor. Es ist alles nur geliehen. Wonach trachten wir also? Wir kommen mit leeren Händen und werden, wenn wir gehen, alles zurücklassen, was wir nicht sind. Es wird uns alles genommen werden, was wir bis dahin an Gütern angehäuft haben. Wie kommen wir unter diesen Umständen darauf, dass uns irgendwas „gehört“? Und mit welcher Berechtigung tun wir selbstverständlich Dinge, die anderen Lebensformen Schaden zufügen? Wie konnten wir so weit vom Weg abkommen?
Mir fallen unsere Kinder ein. Auch sie sind Leihgaben des Höchsten. Wir dürfen ein Stück des Weges mit ihnen gehen und ihre Entwicklung unterstützen. Wenn sie klein sind, dürfen wir sie tragen und halten (mitunter auch nachts 😉 ). Und dann geht es vor allem darum, dass wir uns selbst sukzessive überflüssig machen und die Kinder schlussendlich wieder loslassen, damit sie in den Reigen des Lebens springen können. Warum stutzen wir so oft ihre Flügel? Sie gehören uns nicht!
Selbst unser Körper gehört uns nicht.
Er wird irgendwann zurückgefordert werden. Bis zu dem Zeitpunkt liegt er allerdings in unserer Obhut. Wie gehst du mit deinem Körper um? Mit dir selbst?
Die Erde ist uns anvertraut. Für die Dauer einer Lebensspanne dürfen wir sie nutzen. Sie als unser Zuhause betrachten. Wir sind hier ein paar Jahre zu Gast. Wir dürfen uns von ihren Früchten ernähren und ihre Schönheit betrachten. Sie wird aus den Händen der Alten in die Hände der Jüngeren weitergegeben. Jeder einzelne von uns trägt hier die volle Verantwortung. Schau sie dir an, unsere Erde. Mehr möchte ich dazu nicht schreiben.
Wir alle befinden uns im Spiel des Lebens. Ich wünschte, wir könnten es mehr so sehen. Es mehr als Spiel betrachten. Weniger Verbissen, dafür mutiger. Beherzter.
Der Wunsch nach „haben wollen“ wäre möglicherweise nicht so groß. Das „Haben wollen“ und unsere Angst davor, unsere Besitztümer zu verlieren, treiben uns an, Güter anzuhäufen. Mehr als wir brauchen. Der 2. Mai war in diesem Jahr in Deutschland der sogenannte Earth-Overshoot-Day. Auch Erdüberlastungstag genannt. Wir leben auf Pump! Und das geht definitiv zulasten anderer Lebensformen und zukünftiger Generationen.
Warum vertrauen wir dem Leben so wenig?
Warum haben wir so wenig Gottvertrauen? Wenn wir uns lediglich auf unsere eigenen, kleinen Menschenkräfte verlassen, ist es kein Wunder, dass wir von der Angst, zu scheitern und damit einhergehend alles zu verlieren, geplagt werden.
Wenn wir Frieden erleben möchten, Frieden in uns, Frieden mit anderen, Weltfrieden, dann werden wir nicht umhin kommen, uns selbst immer wieder zu überprüfen.
- Bin ich mir dessen wirklich bewusst, dass ich ALLES Materielle auf dieser Erde zurücklassen werde? Nichts von dem, was ich anfassen kann, bleibt mir.
- Leite ich meine Kinder dazu an, selbständig Entscheidungen zu treffen, damit sie sich ausprobieren können? Rege ich sie an, mit ihrer Kreativen Intelligenz in Kontakt zu gehen? Und ertrage ich ihr Scheitern, wenn mal etwas nicht klappt? Ich habe nicht das Recht dazu, sie nach meinen Wünschen zu formen.
- Schaffe ich einen ökologischen Ausgleich für das, was ich unbedacht zerstöre? Und bin ich mir meiner Zerstörerkraft überhaupt bewusst?
- Mit welcher Selbstverständlichkeit verfüge ich über das, was mir anvertraut ist? Und vor allem: Hege und behandle ich es so liebevoll und verantwortlich, dass ich das Erbe dessen der nächsten Generation mit gutem Gewissen weiterreichen kann?
Ich behaupte, hier ist bei uns allen großer Handlungsbedarf.
Wir brauchen so dringend ein höheres Bewusstsein. Ein Bewusstsein für das Höhere. Für das Höchste.
Vergiss nicht, es ist in uns. Wir müssen nirgendwo hin, um mit der Quelle allen Lebens in Kontakt zu kommen. Die Verbindung findet immer im hier und jetzt statt.
Ich wünsche dir das tiefe Gefühl friedlicher Lebendigkeit, welches sich einstellt, wenn etwas in eine Balance kommt.
Herzliche Grüße,
Deine Daniela
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