Meine Talente und Begabungen (Teil 1)
Meine Talente und Begabungen. (Teil 1)
Sie sind uns mitgegeben. Sie sind quasi ein Geschenk. Ein Geschenk an uns. Aber nicht nur. Unsere Talente sind ein Geschenk sowohl an uns als auch an die Welt. Damit liegen sie – wie ich finde – in unserer Verantwortung. Warum behandeln wir sie also allzu häufig wie eine Art Ersatzprodukt? Wie etwas, das erst dann drankommen darf, wenn das scheinbar WICHTIGE erledigt ist.
Talente sind besondere Begabungen. Individuelle besondere Fähigkeiten. Sie sind unsere Superkräfte. Jeder Mensch hat welche. Allerdings sind es nicht bei allen Menschen die gleichen. Wäre ja auch langweilig. Wo bliebe die Vielfalt?
Wo liegen deine Talente? Weißt du überhaupt, welche besonderen Begabungen du in dir trägst? Ich behaupte, dass viele Menschen nicht wissen, wo ihre besonderen Stärken liegen.
Warum ist das so?
Wir sind vom Weg abgekommen
Ich denke, dass wir an irgendeiner Stelle vom Weg abgekommen sind. Die meisten von uns haben eine lange Schulzeit durchlaufen. Und wenn unsere Talente nicht im Fach Mathematik liegen, wird der ganze Rest schwer. Selbst wenn es sprachliche Begabungen gibt, kann eine Schwäche im Fach Mathematik uns den Weg abschneiden. Zumindest aber ihn erschweren.
Wenn wir über eine besondere Begabung verfügen, sind wir üblicherweise auf diesem Gebiet auf eine mühelose Art außerordentlich leistungsfähig.
In einer meiner therapeutischen Musikgruppen in einer Grundschule gab es einen Jungen, der ganz offensichtlich eine große Begabung im Trommeln hatte. Zu meinem Equipment gehörten üblicherweise ein paar Djemben in unterschiedlicher Größe. Er bediente sie alle. Der Junge hatte das nie im herkömmlichen Sinne gelernt. Er konnte es! Rhythmen und Slaps in großer Geschwindigkeit, völlig mühelos als gäbe es nichts Einfacheres auf der Welt. Es fiel ihm leicht und er war glücklich, wann immer er trommeln konnte.
Er war allerdings kein besonders leistungsstarker Schüler in den wichtigen Fächern.
Und weil seine Eltern Angst hatten, dass er über das Trommeln seine Aufgaben immer mehr vernachlässigen würde, verboten sie ihm das Trommeln. Ich wurde gebeten, ihm das Trommeln auch in der Gruppe zu untersagen. Natürlich habe ich das nicht getan. Ich argumentierte, dass auch das Trommeln Teil des therapeutischen Konzeptes sei. Und so hatte er eine Stunde in der Woche, in der er sich austoben durfte. Eine Stunde, in der er mit seiner Superkraft im Kontakt war.
Das alles ist etwa 15 Jahre her. Leider weiß ich nicht, was aus dem Jungen geworden ist.
Im Rahmen meiner kindertherapeutischen Arbeit gab es so manche Situation, in der ich mich hilflos fühlte angesichts des Drucks, der auf Eltern und damit unmittelbar auf deren Kindern lastete. Da waren Kinder mit enormen sozialen Talenten wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Es gab friedvolle Kinder, deren natürliches Verhalten für die Klassengemeinschaft deeskalierend war. Sie hatten jedoch keine Chance auf ein gutes Vorankommen, wenn die Leistungen in Deutsch und/oder Mathe allzu lückenhaft waren. Ich traf Eltern, die sich ihr Kind lieber weniger sozialverträglich wünschten und dafür bessere Noten. Sogar dann, wenn die Noten im 3-er Bereich waren.
Sind unsere Talente und Begabungen Nebensache?
Warum behandeln wir unsere Talente und Begabungen, als wären sie eine Nebensache? Erst wenn alles erreicht wurde, was uns Mühe abverlangt, scheint es erlaubt, unseren Talenten und Interessen nachzugehen.
Ist das nicht völlig verzerrt? Und es bleibt der Eindruck, dass wir aus dieser Nummer noch lange nicht heraus sind.
Kürzlich traf ich eine junge Frau, die gerade mit sehr gutem Erfolg ihr Bachelor- Studium abgeschlossen hat. Wir kamen ins Gespräch und sie erzählte, dass sie bis jetzt fast ausschließlich für die Schule und das Studium gelebt hat und dass es ihr erst jetzt möglich sei, sich mit ihren eigenen Wünschen zu beschäftigen. Sie hatte immer viel für die Schule tun müssen, um dort erfolgreich zu sein. Zeit für Hobbies blieb ihr kaum.
Hobbies… ich habe die Bedeutung des Wortes Hobby einmal nachgeschaut.
Was sind eigentlich Hobbies?
Hobby: „In der Freizeit aus Neigung, Freude an der Sache mit einem gewissen Eifer betriebene Beschäftigung auf einem bestimmten Gebiet.“
Hobbies werden üblicherweise in der Freizeit betrieben. Wenn aber neben Schule, Studium oder Arbeitsstelle keine Freizeit bleibt?
Unter diesen Umständen können Talente auch mal leicht übersehen, nicht erspürt, nicht entwickelt und nicht gelebt werden. So manche Begabung bleibt in einem engen Alltag auf der Strecke. Und das auch schon bei vielen Kindern. Wie bitter ist das denn? Nicht nur für das Kind, auch für die Welt.
Es sieht für mich so aus, als ob wir Menschen immer mehr selbst unseren eigenen konditionierten Vorstellungen von der „richtigen Lebensweise“ zum Opfer fallen. Vor langer Zeit wurde festgelegt, welche Fertigkeiten die gesellschaftlich höchsten Bewertungen zu bekommen haben. Wer diese nicht in einem guten Maß erfüllen kann, hat irgendwie Pech gehabt. Es wurde der Wirtschaft gestattet, die Schulen entsprechend ihrer Bedürfnisse zu briefen. Dabei ist nicht nur eine Kultur des „Sich Mühe Gebens“ entstanden. Es ist auch in Mode gekommen, unsere Kinder und uns selbst permanent über die Grenzen der Belastbarkeit zu treiben.
Nur wer sich richtig viel Mühe gibt, darf auf gesellschaftliche Anerkennung hoffen. Was für ein Irrweg!
Und was wäre der Umkehrschluss daraus?
Der Umkehrschluss daraus scheint, als wäre alles, was mühelos gelingt, nichts wert.
Im Grunde wissen wir es alle, dass unser Schul- und Bildungssystem nicht dazu geeignet ist, die vielfältigen Talente unserer Kinder zu fördern und sie sich weiter entwickeln zu lassen. Wir bräuchten aber DRINGEND Gleichwertigkeit der Stärken und Begabungen in den Schulen und im gesamten Bildungssystem. Es kann nicht sein, dass ein Erfolgsgefühl und das damit eng verknüpfte Selbstwertgefühl nur den Kindern vorbehalten bleibt, die in den Hauptfächern gute Noten schreiben.
Die meisten Kinder freuen sich sehr auf die Schule. Hierauf gilt es zu antworten. Alle Kinder in ihrer Schaffensfreude zu unterstützen, wäre der Fahrplan. Während meiner Arbeit in der Schulbegleitung hatte ich Einblick in unterschiedliche Schulformen. Wirkliche Begeisterung bei dem, was die Schüler dort tun sollten, war spätestens ab der zweiten Klasse kaum noch erkennbar.
Und alle finden es irgendwie „normal“.
An dieser Stelle verlinke ich ein kurzes YouTube Interview mit dem Musiker, Journalisten und Botschafter der Kindheit André Stern. André Stern ist übrigens selbst nie zur Schule gegangen. Er zeigt in seinen zahlreichen Publikationen auf, wie wichtig es für uns Menschen ist, die künstlich erschaffene Mühe endlich durch unsere immanente Begeisterung zu ersetzen.
Begeisterung macht uns leistungsfähig
Begeisterung kann uns außerordentlich leistungsfähig machen. Wir können durch unsere innewohnende Begeisterungsfähigkeit den Weg zurück zu unseren eingeborenen Talenten und Begabungen finden. Gleichzeitig können meine Talente mir den weiteren Weg durch das Leben weisen.
Die Begeisterungsfähigkeit ist übrigens immer in uns da. Auch dann, wenn wir denken, dass da nichts wäre. Sie ist ein Teil von uns. Möglicherweise spüren wir sie nicht, weil wir schon so weit vom Weg abgekommen sind. Wir sind einfach zu früh von unserem angeborenen Enthusiasmus wegerzogen worden.
Das soll uns jedoch nicht davon abhalten, ihn wiederzuentdecken.
Auch in der zweiten Lebenshälfte ist es nicht zu spät, unsere Begeisterung aufzuspüren und wiederzubeleben.
Was können wir also tun, um mit unseren Begabungen und unserer Begeisterungsfähigkeit wieder in einen konstruktiven Kontakt zu kommen?
Wir müssen das (freie) Spielen wieder lernen. Im freien und kreativen Spiel kann es uns am besten gelingen, unsere verschütteten Talente wiederzuentdecken. Auch die Künste sind ein recht sicherer Weg dorthin. Freies Malen, tanzen, musizieren, schauspielern usw. fördern die Verbindung zum unendlichen Feld der Kreativen Intelligenz. Und wir werden nicht umhin kommen, uns für diese Dinge Zeit und Raum zu gewähren. Angeborene Fähigkeiten brauchen Raum, um sich entfalten zu können.
Was passiert, wenn wir wieder mit unseren Begabungen in Kontakt kommen?
Unsere Talente und Begabungen entwickeln sich einerseits in uns und andererseits, sofern wir mit ihnen in Verbindung stehen, entwickeln wir uns durch sie weiter.
Es wäre also eine Win-win-Situation, wenn wir unsere Talente fördern würden. Inneres Wachstum geschieht ganz automatisch, wenn wir mit der Kreativen Intelligenz in uns in Kontakt kommen. Hinspüren, was Freude macht, was uns beseelt, was sich leicht anfühlt, ist hier angesagt. Das sind andere Aspekte als das übliche „Sich Mühe geben“. Die Kriterien der Mühelosigkeit ernst zu nehmen, kann man lernen.
Wir sind nicht zu alt, um uns noch einmal neu auszurichten. Es wäre allzu schade, wenn wir dies nicht tun und irgendwann die Welt verlassen, ohne ihr mit unseren inneren Gaben und unserer persönlichen Evolution ein Geschenk gemacht zu haben. Gerade so, als ob die Blume vergeht, ohne dass sie ihre Blütenblätter hätte entfalten können. Es wäre zu schade…
Ich wünsche dir einen guten Kontakt zu deiner Superkraft. Sie ist genau das, was du der Welt zu geben hast. Gib deinen Begabungen Raum, sie sind ein Geschenk. Bringe sie zur Blüte…
Alles Liebe für dich,
Deine Daniela
In der nächsten Woche folgt die Fortsetzung dieses Artikels.
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